Trigger Warnungen für diesen Roman: Misshandlung, Vergewaltigung, Rassismus, häusliche Gewalt
Wenn es ein Genre gibt, das ich ins Herz geschlossen habe, dann sind es Campus-Romane. "Real Life" ist entgegen der Übermacht an geisteswissenschaftlichen Fächern in diesem Genre jedoch mehr in der Naturwissenschaft zu verorten, da viele der Charaktere als Biotechnolog*innen arbeiten. Der Roman behandelt eine ganze Reihe von wichtigen und teils überwältigenden Beschreibungen von Rassismus, Misshandlung, Queer-Sein, sich im Leben verloren fühlen, Verletzlichkeit, Liebe und Hass und wie all diese Faktoren miteinander in Verbindung stehen und interagieren.
Während der Lektüre habe ich mehrfach an John Williams´ "Stoner", Hanya Yanagiharas herausragendem Wunder von einem Buch "A Little Life" und Ocean Vuongs "On Earth We´re Briefly Gorgeous" denken müssen. Doch trotz der Relation zu diesen durchweg beeindruckenden Titeln fällt es mir schwer, das Debüt von Brandon Taylor richtig einzuordnen. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Themen, die sich benennen lassen, doch scheint davon keines eine zentrale Rolle einzunehmen. Stattdessen stehen sie teils gleichwertig nebeneinander und fließen im nächsten Moment ineinander über, sodass nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen ist, worauf das Erzählte gerade abzielt, ob und wie es sich einordnen lässt.
Ich lasse mich mal zu der tollkühnen Behauptung hinreißen, dass in unser aller Leben viele verschiedene Motive eine Rolle spielen und meist kein einziges davon der ganzen Geschichte gerecht wird. So liegt es an uns, herauszufinden, worauf wir uns konzentrieren und wie wir unsere eigene Geschichte erzählen können und möchten. Und in diesem Sinne ist Wallace – wie jede*r von uns – ein*e zutiefst reale Persönlichkeit, voller Fehler, Schmerz und Angst und, wunderbarerweise, auch voller Hoffnung.