Wenn Alexander Osang erzählt, kann man leicht das Gefühl bekommen, er hätte bereits zehn Leben gelebt. Die Welt, aus der er seinen Leser:innen seit knapp vier Jahrzehnten berichtet, hat sich seit Beginn seiner Laufbahn als Reporter vielfach gewendet, gedreht und von innen nach außen verkehrt. Osang war immer mittendrin, begleitete Menschen manchmal über Jahre hinweg, näherte sich auf Augenhöhe und heimste mit seinen Reportagen nicht nur Lob ein. Trotz vieler Preise und Erfolge wird in seinem Vorwort zu "Das
letzte Einhorn. Menschen eines Jahrzehnts" deutlich, dass ihm seine Karriere als Reporter nicht nur Gutes beschert hat. Er erzählt von Freund:innenschaften, die der schwierigen Balance zwischen privat und öffentlich nicht standhielten, Angriffen, die als keine gemeint waren, dann aber doch zu welchen wurden. "Freunde bleiben. Viel mehr geht nicht, für einen Reporter", schreibt Osang selbst, denn welche Wirkung ein Text entfaltet, wisse selbst er meist nicht im Vorhinein. Sein langjähriger Verleger Christoph Links fasst das Thema von Osangs Reportagen und Recherchen in all den Jahren seiner Karriere so zusammen: "Wer verhält sich wie unter schwierigen Bedingungen, wer steht zu seinen Träumen, wer passt sich an, wer begehrt auf?" Osang ist ein Reporter mit Haut und Haaren und scheut nicht davor zurück, sich selbst und den Beruf des Reporters immer wieder zu hinterfragen: Wie stark korrumpiert Macht, wie verführerisch ist es, der Mehrheit zu folgen, wie schnell wird man zum Opportunisten, wie viel des Bodens, den man beschreibt, darf man dabei verbrennen? Wie allein kann man sein, ohne unglücklich zu werden?
Im jetzt erschienenen Band haben Alexander Osang und der der Ch. Links Verlag Reportagen eines Jahrzehnts zusammenkuratiert, in dem einiges zu Ende zu gehen schien. Menschen wie Michael Ballack, Angela Merkel oder Holger Friedrich: Sie alle haben verschiedene Leben, verschiedene Temperamente, verschiedene Erfolge, aber sie verbindet, dass sie die Letzten ihrer Art zu sein scheinen. Ob Osang mit diesem Titel wohl auch ein wenig sich selbst meint…?