Quader, Form, Funktion, Aufgabe, Plan, Schichtbuschoreographie, immer gleichgroße Plattenstücke aneinandergesetzt. Geschickt reißt Grit Lemke diese Platten auseinander, zieht den Teer zwischen ihnen heraus und zeigt uns die Nischenkultur von Hoy. Hoy steht für Hoyerswerda. Hoyerswerda steht für viele nach 1991 nur noch für rassistische Angriffe auf Unterkünfte von Vertragsarbeiter:innen und Asylsuchende. Doch erst einmal zurück zu den Anfängen der sozialistischen Stadt. In Abwechslung mit den Erinnerungen ihrer Protagonisten schildert Grit Lemke das Entstehen der Neustadt und das spätere Aufblühen einer Subkultur, die nicht zwingend Gegenkultur sein will.
Hippielatschen, Bluesabende, ungewöhnliche Kunstaktionen in einem sonst tristen Umfeld. In diese Erinnerungen kommt die Stimme von David, vereinzelt, oft erst viele Seiten später erklingt sie erneut. Schnell wird klar: die Alltäglichkeit des Rassismus begann nicht erst zur Wende mit Springerstiefeln und Bomberjacke. „Hoy war für uns wie eine warme Haut. Im Herbst 91 beginnt sie zu platzen.“ Auch für mich war der Beton meiner Neubausiedlung eine warme Umarmung, auch ich floh vor den „Faschos“ in den Altbau. Es gibt Parallelen und doch zeigt dieses Buch, dass es keine simple Erklärung für die Lebensrealitäten ihrer Protagonisten gibt. Dieses Buch ist für mich eins der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Unbedingte Empfehlung.